Kindergrundsicherung: „Wunschpartner sehen anders aus“

 

Von Mustafa Güngör MdBB, Vorsitzender SPD-Bürgerschaftsfraktion Land Bremen

Seit Jahren fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Deutschland eine Kindergrundsicherung, um Kinderarmut zu bekämpfen. Und das gilt besonders für uns in Bremen. In keinem anderen Bundesland leben anteilig so viele arme Kinder wie hier. 2021 waren im Land nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mehr als zwei von fünf Kindern gefährdet, in ärmlichen Verhältnissen zu leben – das sind 46.500 Mädchen und Jungen. Über 40 Prozent der Kinder sind demnach von Armut bedroht. Besonders stark betroffen sind junge Menschen in den vielen alleinerziehenden Familien sowie in Familien mit drei und mehr Kindern. Corona hat diese Situation noch verschärft, gerade in Großstädten.

Die SPD tut viel dafür, dass es Kindern und Jugendlichen besser geht. Im Bund wurde das Kindergeld auf 250 Euro im Monat erhöht, auch in Bremen haben wir zahlreiche Kraftanstrengungen vorgenommen – von den Tablets für alle Schülerinnen und Schüler bis zur FreiKarte von 60 Euro für alle Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren. Doch das reicht kaum für diejenigen, die besonders betroffen sind. Die Inflation tut ein Übriges.

Die Ampelkoalition im Bund hat in ihrem Koalitionsvertrag 2021 ein glasklare Vereinbarung zu einer Kindergrundsicherung getroffen:

„In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern.“

Und weiter: „Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt.“

Wenn Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner von dieser Vereinbarung nun zunehmend Abstand nimmt, ist dies nichts anderes ein glatter Bruch des Koalitionsvertrags. Wir als SPD – zumal größter Koalitionspartner in der Ampel – können und dürfen dies nicht hinnehmen, weder inhaltlich noch grundsätzlich. Diese Erwartung muss auch so klar ausgesprochen werden; von allen, die Verantwortung tragen.

Dass Herr Lindner nach milliardenschweren Förderprogrammen in Anbetracht der Krisen also ausgerechnet die vereinbarte Kindergrundsicherung – also Hilfe für die Schwächsten in der Gesellschaft – nun unter generellen Finanzierungsvorbehalt stellt, ist nicht nur unglaubwürdig, sondern macht die FDP für die Sozialdemokratie zu einem schwer erträglichen Koalitionspartner. Und zwar im Bund wie im Land.

Übergewinnsteuer, Vermögenssteuer, Solidarbeitrag für Reiche: Selbst, wenn man eine direkte Gegenfinanzierung für die Kindergrundsicherung bräuchte, würde es diese ja durchaus geben – wenn man sie nur wollte. Herr Lindner will dies aber nicht, denn sein Gesellschaftsbild ist nicht geprägt von Sensibilität und Solidarität – sondern von Segregation und Spaltung.

Wunschpartner der Sozialdemokratie sehen anders aus. Auf Dauer sowieso.

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