Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Angebote zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen

Unterlagen und ein Stethoskop

Das bundesgesetzliche Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG § 13 Abs. 2) verpflichtet die Länder, ein ausreichendes Angebot von ambulanten und stationären Einrichtungen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. In der Vergangenheit gab es im Land Bremen auch ohne staatliches Zutun eine durchgängig ausreichende Anzahl von Möglichkeiten zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. Aufgrund von verschiedenen Faktoren hat sich die Versorgungslage in den letzten beiden Jahren deutlich verschlechtert. Die Sicherstellung ist nicht mehr durchgängig gewährleistet, und die Versorgungslage kann sich in naher Zukunft weiter verschlechtern. Daher ist staatliches Handeln zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots geboten. Dabei ist eine Reihe von Einschränkungen und Vorgaben insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu beachten. Das hier vorgelegte Landesgesetz definiert unter Berücksichtigung der Rechtslage den rechtlich darstellbaren Handlungsspielraum der zuständigen senatorischen Behörde.

Die geltenden Gesetze in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gehen im Wesentlichen auf das Urteil des BVerfG von 1993 zurück, in dem die verfassungsrechtlich gebotenen Grundlagen für die Entwicklung eines verfassungskonformen Abtreibungsrechts festgelegt wurden. Bei diesem Urteil bezog sich das BVerfG im Kern auf zwei grundlegende Vorgaben des Grundgesetzes, die bei der rechtlichen Beurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen im Widerstreit liegen.

Zum einen führt das BVerfG die Schutzpflicht des Staates zum Lebensschutz des ungeborenen Kindes an. Dieses hat laut BVerfG ein eigenständiges, von Beginn an geltendes Lebensrecht, „welches nicht erst von der Annahme seitens der Mutter“ abhängt. Dem BVerfG zufolge hat der Gesetzgeber daher einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich zu verbieten und einer Schwangeren die grundsätzliche Rechtspflicht aufzuerlegen, das Kind auszutragen.

Zum anderen kann diese Pflicht zum Austragen laut BVerfG mit Grundrechten der Schwangeren kollidieren: dem „Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) – vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG)“

Zur Lösung dieses grundrechtlichen Konflikts legte das BVerfG die Grundzüge der bis heute geltenden gesetzlichen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen fest:

  • Eine Abtreibung (außer in Fällen von medizinischer oder kriminologischer Indikation) ist grundsätzlich rechtswidrig.
  • Für den Schutz des ungeborenen Lebens hat der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit, bei Schwangerschaftskonflikten in der Frühphase der Schwangerschaft den „Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau [zu legen], um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen“, im Anschluss aber auf eine Bestrafung der unfreiwilligen Schwangeren zu verzichten, wenn diese sich trotz der Beratung für eine Abtreibung entscheidet und diese bis zur 12. Woche der Schwangerschaft durchführt. Die Beratungsleistung ist staatlicherseits sicherzustellen.
  • Gleichzeitig ist staatlicherseits aber auch sicherzustellen, dass eine Schwangere, die nach der Beratung trotzdem eine Abtreibung vornehmen möchte, die Möglichkeit hat, in der gegebenen Zeitspanne eine qualifizierte Ärzt:in zu finden, die die Abtreibung vornehmen kann. Dies soll einerseits die Gesundheit der Frau schützen, welche nicht auf illegale und gefährliche Abtreibungsmöglichkeiten zurückgreifen muss, andererseits auch eine weitere Möglichkeit zum ärztlichen Gespräch und damit eine weitere Möglichkeit zur Beratung der Frau im Hinblick auf die Schwangerschaft zu bieten.
  • Nach Überzeugung des BVerfG ist über die Beratung in der Beratungsstelle, aber auch durch die ärztliche Betreuung und Beratung ein besserer Schutz des ungeborenen Kindes erreichbar, als durch eine bloße strafrechtliche Sanktionierung; letztere führte nach den Erfahrungen der Vergangenheit zu unkontrollierten Schwangerschaftsabbrüchen in der Illegalität.

Diese beiden staatlichen Aufgaben, die Sicherstellung der Beratung von Schwangeren, wie auch die Sicherstellung der Möglichkeit zur Abtreibung nach Beratung, übertrug der Bundesgesetzgeber im Anschluss an das Urteil des BVerfG über das SchKG den Bundesländern. Der eine Teil der Aufgabe, die ausreichende Versorgung mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, wird in Bremen seit 2006 über das „Gesetz über Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen (Schwangerenberatungsgesetz – SchwBerG)“ sichergestellt.

Dagegen wurde die Verpflichtung zur Sicherstellung eines „ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ (SchKG § 13 Abs. 2) bislang landesgesetzlich nicht geregelt. In den letzten Jahrzehnten gab es keine Notwendigkeit zum staatlichen Eingreifen. Es gab genügend Möglichkeiten für Bremer und Bremerhavener Frauen, im Land Bremen eine Einrichtung, eine Klinik oder eine niedergelassene Ärzt:in zu finden, die einen Abbruch vornehmen konnte.

Diese Lage hat sich in den letzten zwei Jahren zunehmend verschlechtert und ist inzwischen zeitweise so prekär, dass staatliches Handeln gefordert ist, um dem Sicherstellungsauftrag nachzukommen. Es gibt dabei mehrere Faktoren, die zur rapiden Verschlechterung der Situation geführt haben. Der Hauptgrund ist, dass eine überschaubare Anzahl von Ärzt:innen, die in den letzten 30 Jahren den überwiegenden Teil der Abbrüche in Bremen und Bremerhaven durchgeführt haben, in den letzten drei Jahren in Rente gegangen sind oder kurz davor stehen. Es mangelt an aktiven Ärzt:innen, die bereit sind, Abbrüche durchzuführen und die entstandenen Versorgungslücken zu füllen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Durchführung eines operativen Schwangerschaftsabbruchs ist kein Gegenstand der medizinischen Ausbildung, obwohl es sich um den zahlenmäßig häufigsten operativen Eingriff in der Gynäkologie handelt. Dementsprechend gibt es bei vielen jungen Ärzt:innen Unsicherheiten über die sachgemäße Durchführung. Zudem ist zur Durchführung von operativen Abbrüchen die Verfügbarkeit eines Eingriffs- oder Operationsraums vonnöten, über den keineswegs alle gynäkologischen Praxen verfügen. Die Möglichkeit von medikamentösen Abtreibungen, die keinen Eingriffsraum benötigen und auch von Hausärzt:innen angeleitet werden können, wurde im Land Bremen bislang erheblich seltener angewandt als in anderen Bundesländern. Ein weiterer Faktor ist der Umstand, dass Abtreibungen gerade bei Schwangeren, für die aufgrund ihrer geringen eigenen finanziellen Mittel die Kosten der Abtreibung durch gesetzliche Verpflichtung staatlicherseits übernommen werden, für die Ärzt:innen nicht kostendeckend und mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden sind. Diese Abtreibungen werden im Land Bremen ganz überwiegend von einer einzigen Einrichtung übernommen. Kann diese keine Termine anbieten, haben es Schwangere mit Kostenübernahme besonders schwer, einen alternativen Termin zum Abbruch zu bekommen. Auch Bremer und Bremerhavener Krankenhäuser in öffentlichem Besitz, die bislang einen Teil der Abbrüche vorgenommen haben, sehen sich zurzeit aufgrund von Mangel an ärztlichem und pflegerischem Personal weniger und weniger in der Lage, Termine für Abbrüche anzubieten. Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Sicherstellung von Schwangerschaftsabbrüchen im Land Bremen nicht mehr durchgängig gewährleistet ist. Es besteht also staatlicher Handlungsbedarf.

Zu diesem Zweck ist es geboten, das bereits existierende Landesgesetz zur Sicherstellung der Beratungsangebote im Land Bremen um Regelungen zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zu ergänzen. Dies dient der Verpflichtung der staatlichen Organe auf diesen Zweck, aber auch der Herstellung von Rechtssicherheit für die zuständigen Ressorts bei der Durchführung von Maßnahmen, die der Sicherstellung dienen. Dabei sind die Vorgaben des BVerfG zu beachten, das sich in seinem Urteil ausführlich mit den Gegebenheiten für den Sicherstellungsauftrag der Länder befasste. Zu den relevanten Feststellungen des Urteils gehören die folgenden:

  • Das Weigerungsrecht von medizinischem Fachpersonal, an Abtreibungen mitzuwirken – Ärzt:innen und Pflegepersonal können nicht zur Durchführung von Abbrüchen verpflichtet werden, außer in medizinischen Notlagen (5. StrRG, Art. 2)
  • Das Verbot, eine Abtreibung als Kassenleistung oder anderweitig mit staatlichen Mitteln zu finanzieren, es sei denn, die betroffene Schwangere hat nicht die finanziellen Mittel, die Abtreibung zu bezahlen.
  • Die Feststellung, dass staatliche Maßnahmen, die über die Notwendigkeiten zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch hinausgehen und sich zudem als „aktive Förderung des Schwangerschaftsabbruchs“ auswirken, nicht zulässig sind.

Generell ordnet das BVerG in seinem Urteil die Aufgabe zur Sicherstellung von Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch dem Bereich des Gesundheitswesens zu, das gemäß Art. 74 Nr. 19 und 19a GG ganz überwiegend in der Gesetzgebungskompetenz der Länder und nicht des Bundes liegt. Dementsprechend stellt das BVerfG fest, dass der Bund über das Bundes-Sicherstellungsgesetz den Bundesländern nur beschränkte Sicherstellungsanforderungen vorgeben darf. Diese lassen sich aus der grundgesetzlichen Kompetenz für die „öffentliche Fürsorge“ (Art. 74 Nr. 7 GG), herleiten, die dem Bund zugeordnet ist. Insbesondere kann er einfordern, dass Einrichtungen zum Abbruch zumindest in einer solchen räumlichen Dichte vorgehalten werden, dass eine unfreiwillig Schwangere innerhalb einer Tagesreise einen Arztbesuch mit ausführlicher Beratung und einem Abbruch vornehmen kann. Das BVerfG stellt in seiner Begründung explizit darauf ab, dass zu vermeiden ist, dass durch eine zu weite Anreise der Schwangeren sich die Ärzt:in gedrängt sieht, den Schwangerschaftsabbruch an dem Tage, an dem sich die Schwangere bei ihm bzw. ihr zum ersten Mal einfindet, vorzunehmen. Durch eine kürzere Anreise wird so noch einmal die Chance für eine Entscheidung der Frau zugunsten des Ungeborenen eröffnet.

Diese Mindestversorgung ist von allen Bundesländern einzuhalten und kann nicht aufgrund anderweitiger landesgesetzlicher Schwerpunktsetzung außer Kraft gesetzt werden. Andererseits ist es gerade im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Gesetzgebungskompetenz der Länder in diesem Bereich nicht ausgeschlossen, dass die Ausgestaltung eines Landesgesetzes zur Sicherstellung von Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch auch eine flächendeckendere Versorgung mit Einrichtungen anstrebt. Dies steht im Einklang mit der Bedeutung, die das BVerfG einer ausführlichen und ohne Zeitdruck vorgenommenen ärztlichen Beratung für die Chance einer Entscheidung der Schwangeren zugunsten des Ungeborenen zuweist.

Die Eigenverantwortung und damit Gestaltungsfreiheit der Länder zum Bestimmen der landespolitisch angemessenen Umsetzung des Sicherstellungsauftrags wird auch in zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu Anfragen nach der Verantwortung der Bundesländer für die Sicherstellung mit Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch mehrfach hervorgehoben: „Den Ländern obliegt in eigener Verantwortung, dem in § 13 Absatz 2 SchKG festgelegten Versorgungsauftrag nachzukommen“. „Den Ländern obliegt eine eigenverantwortliche Zuständigkeit, den Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Jedes Land muss dies bezogen auf die jeweiligen Gegebenheiten entscheiden.“ „Eine Einschätzung, inwieweit die Zahl der Einrichtungen ausreichend ist, obliegt daher dem jeweiligen Bundesland“

Insbesondere liegt es nach dem Urteil des BVerfG in der landesgesetzlichen Gesetzgebungskompetenz, wenn es notwendig erscheint, ein umfassendes Konzept zur Sicherstellung gesetzlich zu verankern:

„Eine so verstandene Sicherstellung verlangt ein umfassendes Konzept jeweils für das ganze Land. Gefordert sein können flächenbezogene Erhebungen des voraussichtlichen Bedarfs und der bereits vorhandenen Einrichtungen sowie – ähnlich wie bei der Krankenhausplanung – eine landesweite infrastrukturelle Planung, in welche die Einrichtungen privater, frei gemeinnütziger, kommunaler oder staatlicher Träger aufzunehmen und aufeinander abzustimmen sind. Sollen Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch privaten oder kommunalen Krankenhausträgern zur Pflicht gemacht werden, so bedarf es hierzu gesetzlicher Regelungen, durch die in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Bestimmtheit Maßstäbe und Befugnisse für die erforderlichen behördlichen Anordnungen festgelegt werden.“

Aufgrund der zurzeit gegebenen prekären Situation für unfreiwillig Schwangere im Land Bremen erscheint ein umfassendes Konzept im obigen Sinne als notwendig und geboten. Daher bedarf es eines Landesgesetzes zur Sicherstellung bedarfsgerechter Angebote zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, um die benötigten Maßstäbe und Befugnisse der Behörden rechtssicher zu verankern und auf eine stabile Versorgung hinzuarbeiten.