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Blutspenden an medizinischen Erkenntnissen orientieren, nicht an überkommenen Vorurteilen

Menschen, die Blut spenden, leisten einen unverzichtbaren Beitrag dazu, Leben zu retten. Ganz unmittelbar in Notfällen, wenn Bluttransfusionen sofort erfolgen müssen, bei Erkrankungen, die Bluttransfusionen notwendig machen, und bei der Herstellung anderer lebenswichtiger Medikamente. Nach Auskunft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) werden in Deutschland etwa 14.000 Blutspenden pro Tag benötigt. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das etwa 70 Prozent der Blutspenden sammelt, erklärt, dass 80 Prozent der Bürger*innen in Deutschland einmal im Leben eine Blutspende benötigen. Die Nachfrage für lebensrettende Blutspenden ist also sehr hoch. Deshalb gebührt all diesen Blutspender*innen Wertschätzung und Dank. Die Sicherstellung der Versorgung mit den überlebenswichtigen Blutpräparaten wird jedoch zu einer immer größeren Herausforderung. Lediglich zwei bis drei Prozent der Bevölkerung spenden regelmäßig Blut. Dabei könnten es nach den derzeit geltenden Zulassungskriterien etwa 33 Prozent sein.

Selbstverständlich muss im Rahmen der Behandlung mit Blutprodukten alles Mögliche getan werden, um die Gesundheit der Spender*innen und der Empfänger*innen von Bluttransfusionen zu sichern. Deshalb ist es gut und richtig, dass das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG) vorsieht, dass nur die Menschen Blut spenden dürfen, die unter der Verantwortung einer ärztlichen Person nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik für tauglich befunden worden sind. Maßgeblich dafür sind aufgrund der entsprechenden medizinischen Kompetenz und nicht zuletzt auch aufgrund der Verpflichtung durch den hippokratischen Eid die Richtlinien der Bundesärztekammer, konkret die „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie)“.

Maßstab muss aber laut Transfusionsgesetz – und auch nach den einleitenden Worten der auf Grundlage dieser gesetzlichen Regelung erlassenen Richtlinie Hämotherapie – immer und ausschließlich der Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sein.

Diese Voraussetzung erfüllt die aktuelle Fassung der Richtlinien dort nicht, wo sie nicht auf die konkrete gesundheitliche Verfassung oder konkret gesundheitsgefährdendes Risikoverhalten der Spender*innen abstellt: Nach Ziffer 2.2.4.3.2.2.entscheidet sowohl die Geschlechtsidentität als auch die sexuelle Orientierung an sich über die Eignung als Spender*in. Während demnach heterosexuelle und trans* Personen nur bei „sexuellem Risikoverhalten“, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partner*innen, für zwölf Monate von einer Blutspende zurückzustellen sind, soll dies für Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, pauschal und unabhängig von einem entsprechenden sexuellen Risikoverhalten gelten. Diese Ungleichbehandlung von schwulen, bi- und pansexuellen Männern ist nicht nur diskriminierend und damit grundgesetz- und europarechtswidrig, sondern auch unnötig, da ohne weiteres allein auf das konkret gesundheitsgefährdende Risikoverhalten abgestellt werden könnte, um die Gesundheit von Spender*innen und Empfänger*innen von Blut zu schützen. Bis 2017 waren Heterosexuelle mit „sexuellem Risikoverhalten“ (also häufig wechselnden Geschlechtspartnern), homo- bi-, und pansexuelle Männer sowie Sexarbeiter*innen dauerhaft von einer Blutspende ausgeschlossen. Die Beendigung dieser Diskriminierung hatte die Bürgerschaft (Landtag) bereits mit Beschluss vom 22. Januar 2014 (Drucksache 18/1060) nachdrücklich gefordert.
Nach ähnlichen Entwicklungen in den USA und mehreren europäischen Ländern wurde die Richtlinie derart verändert, dass nun in der Richtlinie Hämotherapie ein zeitlich befristeter Ausschluss von einem Jahr nach Ende des „sexuellem Risikoverhaltens“ festgeschrieben ist. Dies ist ein deutlicher Schritt in die Richtung gewesen, aber immer noch diskriminierend und wissenschaftlich fragwürdig.

Sexuelle Beziehungen zwischen Männern sind nicht per se ein Sexualverhalten mit einem hohen Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, ebenso wie heterosexuelle Praktiken nicht generell risikolos sind. Die gesonderte Nennung von „transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ in der Richtlinie Hämotherapie ist zudem völlig unverständlich und wirft die Frage auf, ob für trans* Männer, die Sex mit Männern haben, andere Regeln gelten sollen als für cis Männer. Insgesamt drängt sich der irritierende Eindruck auf, als herrsche in der Bundesärztekammer grobe Unkenntnis über Bedeutung und Lebensrealität von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.

Und auch bei Sexarbeiter*innen oder Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartner*innen ist der Nachweis eines erhöhten Infektionsrisikos zwar gegeben. Dies begründet aber noch nicht die Rückstellungsdauer von einem Jahr, zumal das Risiko auch von zuverlässiger Verhütung abhängt, die für Sexarbeiter*innen zum Beispiel im so genannten Prostituiertenschutzgesetz zwingend festgeschrieben ist. Die Deutsche AIDS-Hilfe spricht davon, dass eine HIV-Infektion heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließbar ist. Die Hämotherapie-Richtlinie selbst sieht nach Sexualverkehr mit einer HBV- HCV- oder HIV-infizierten Person lediglich eine Rückstellungsfrist von vier Monaten vor. Warum für Personen mit wechselnden Sexualpartner*innen ohne Hinweise auf derartige Infektionen eine deutlich längere Frist gelten sollte, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Eine weitere stigmatisierte Gruppe sind Wohnungslose. Ihnen wird oft verwehrt zu spenden, wenn sie keine Meldeadresse haben. Die Begründung dafür ist, dass Spender*innen bei Auffälligkeiten im Blut kontaktiert werden müssen. Hierfür würden jedoch auch andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme in Frage kommen, wenn Spender*innen keine Meldeadresse nachweisen können.

Weil eine Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung bzw. Aktivität oder fehlender Meldeadresse unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung widerspricht und ihrer unwürdig ist, und weil es sich unsere Gesellschaft schlicht nicht leisten kann, aufgrund von Vorurteilen auf gesunde Blutspender*innen zu verzichten, ist eine Änderung dieser Richtlinie Hämotherapie notwendig.