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Lebensmittelverschwendung bekämpfen, Containern entkriminalisieren

Trotz jahrelanger Diskussionen über Lebensmittelverschwendung werden in Deutschland noch immer große Mengen an genießbaren Lebensmitteln sinnlos weggeworfen. Laut einer Studie der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) aus 2015 landen über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel in Deutschland pro Jahr im Abfall, davon wären bereits heute 10 Millionen Tonnen vermeidbar. Rund ein Viertel (2,4 Tonnen) der vermeidbaren Verluste entstehen auf der Ebene des Groß- und Einzelhandels aufgrund von Verteilungsverlusten, ein weiteres Viertel (2,3 Tonnen) bei Großverbrauchern wie Gastronomie und Betriebsküchen.

Um der Verschwendung im Lebensmittelhandel entgegenzuwirken, sollten künftig Lebensmittelbetriebe ab einer bestimmten Größe dazu verpflichtet werden, sichere Lebensmittel, deren Verkauf nicht mehr vorgesehen ist, an gemeinnützige Organisationen wie die Tafeln in Bremen und Bremerhaven zu spenden. Der Senat hat am 10. September 2019 beschlossen, zusammen mit der Freien und Hansestadt Hamburg eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten.

Während jährlich mehrere Millionen Tonnen Lebensmittel bisher ohne rechtliche Folge weggeworfen werden, werden gleichzeitig diejenigen strafrechtlich verfolgt, die gegen Lebensmittelverschwendung aktiv werden, indem sie containern. „Containern“ bedeutet, dass sich Personen auf die Suche nach verzehrbaren Lebensmitteln begeben, die sich in Abfallcontainern befinden, in der Regel auf dem Gelände von Supermärkten. Werden dabei verzehrbare Lebensmittel aufgefunden und mitgenommen, liegt nach herrschender Meinung ein strafbarer Diebstahl gemäß § 242 StGB vor. Bei geringwertigen Sachen (bis zu 25-50 Euro) wird die Tat gemäß § 248a StGB nur verfolgt, wenn der Eigentümer einen Strafantrag stellt oder die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

Diese Kriminalisierung ist angesichts von mehreren Millionen Tonnen Lebensmitteln, die jährlich vernichtet werden, kaum zu begründen, zumal das Strafrecht nach dem Ultima-Ratio-Prinzip nur dann zu Einsatz kommen soll, wenn es als letztes Mittel zur Herstellung von Rechtsfrieden unbedingt erforderlich ist. Leider fand bei der Justizministerkonferenz im Juni 2019 ein Antrag zur Entkriminalisierung von Containern dennoch keine Mehrheit. Stattdessen wurde mehrheitlich beschlossen, dass das Strafverfahrensrecht ausreichende Möglichkeiten bereithalte, allen denkbaren Fallkonstellationen im Einzelfall Rechnung zu tragen. Tatsächlich ist die Praxis der Strafverfolgungsbehörden bei dieser Kriminalitätsform jedoch uneinheitlich. Während einige Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, führen andere, gleichgelagerte Sachverhalte in anderen Zuständigkeitsbereichen zur Erhebung der öffentlichen Klage. Im Land Bremen sollte eine einheitliche Vorgehensweise sichergestellt werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1.    Die Bürgerschaft (Landtag) begrüßt die Mitantragsstellung Bremens zu der Entschließung des Bundesrats zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung durch Verpflichtung des Lebensmittelhandels zur Abgabe an gemeinnützige Organisationen.

2.    Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, mit dem Lebensmittelhandel und anderen gesellschaftlichen, Akteuren wie den Tafeln im Land Bremen und den Initiativen Foodsharing Bremen und Foodsharing Bremerhaven, in Gespräche einzutreten, ob und wie der Lebensmittelverschwendung entgegengetreten werden kann. Dabei ist auf positive Beispiele aus dem Bremer Einzelhandel Bezug zu nehmen.

3.    Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene darüber hinaus dafür einzusetzen, dass zukünftig die Aneignung entsorgter Lebensmittel keine Straftat mehr darstellt.

4.    Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, bis zur Änderung der Rechtslage darauf hinzuwirken, dass die Staatsanwaltschaft in Verfahren wegen des Diebstahls weggeworfener Lebensmittel in der Regel gemäß § 153 StPO wegen Geringfügigkeit von der Verfolgung absieht und ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung gemäß § 248a StGB grundsätzlich ablehnt. Dies soll nicht gelten für Fälle des „Containerns“, bei denen auch ein Hausfriedensbruch vorliegt, der über die Überwindung eines physischen Hindernisses ohne Entfaltung eines wesentlichen Aufwands hinausgeht oder gleichzeitig den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt.