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Mehr Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsmarkt

Frauen arbeiten in Deutschland häufiger unter prekären Bedingungen und in schlechter bezahlten Berufen als Männer. Zudem übernehmen Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Dies hat weitreichende Folgen für die finanzielle Absicherung von Frauen. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus 2022 verdienen Frauen auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet nur etwa halb so viel wie Männer. Zudem sind sie deutlich häufiger von Altersarmut betroffen, wie auch der jüngste Bericht zu Lebenslagen im Land Bremen (2021) erneut feststellt: 2019 lag der Frauenanteil bei den Leistungsempfänger*innen von Grundsicherung im Alter bei 58 Prozent. Auch wenn dieser Frauenanteil in den letzten Jahren damit gesunken ist, verzeichnet der Bericht eine absolute Zunahme von Frauen im Bezug von Grundsicherung im Alter. Die Ursachen für die spezifischen Armutsrisiken von Frauen (im Alter) macht der Bericht vor allem in der weiblichen Erwerbsbiografie aus, die strukturell bedingt häufiger von Unterbrechungen, Teilzeitarbeit und einer Beschäftigung im Niedriglohnsektor gekennzeichnet ist. Daraus wird abgeleitet, dass die Prävention der weiblich geprägten Altersarmut früh in der Erwerbsbiografie ansetzen muss.

Es ist daher höchste Zeit, die Geschlechtergleichstellung am Arbeitsmarkt mit verschiedenen Maßnahmen, die auf die Beseitigung strukturell bedingter Nachteile für Frauen zielen, voranzutreiben.

Im Mittelpunkt vieler Debatten steht in diesem Zusammenhang eine individuelle statt Paar-Besteuerung. Konkret geht es um das in Deutschland bestehende Ehegattensplitting, das regelmäßig sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene aufgrund seiner Anreiz- und Verteilungswirkung kritisiert wird. Demnach hat ein Ehepaar einen besonders großen Steuervorteil, wenn ein/e Partner*in besonders viel (Erstverdiener*in) und der/die andere Partner*in besonders wenig (Zweitverdiener*in) verdient. Für die zweitverdienende Person besteht zudem wenig Anreiz, einer steuerpflichtigen Vollzeiterwerbsarbeit nachzugehen, da sie aufgrund der gemeinsamen Veranlagung der Einkommen dem höheren Steuersatz des Partners oder der Partnerin unterliegt.

Durch die Verbindung von Ehegattensplitting und der Steuer- und Abgabenfreiheit von Minijobs geraten so besonders viele Zweitverdienende in die sogenannte „Minijobfalle“. Laut einer Studie des Münchner ifo-Instituts vom Oktober 2021 sind vor allem Frauen von dieser Problematik betroffen: Rund drei Viertel der verheirateten Frauen im erwerbsfähigen Alter haben ein geringeres Einkommen als ihre Partner*innen und sind demnach Zweitverdienerinnen. Die derzeitigen Regelungen fördern somit traditionelle Rollenbilder, in denen der Mann als Hauptverdiener agiert und die Frau die Hausarbeit und Kinderbetreuung übernimmt und über eine eingeschränkte Erwerbstätigkeit höchstens etwas dazuverdient.

Zur Lösung dieser Problematik wird von unterschiedlichen Seiten die Ersetzung des Ehegattensplittings durch einen Übergang zu einer modernen Form der Besteuerung gefordert, die die wirtschaftliche Unabhängigkeit beider Partner*innen stärkt. Kern eines solchen Modells müsste eine niedrigere Besteuerung des zweiten Einkommens sein, um stärkere Arbeitsanreize und in der Konsequenz eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen zu bewirken. Verschiedene Reformvorschläge scheinen dafür geeignet.

Um die Situation am Arbeitsmarkt für die Zweitverdienenden nachhaltig zu verbessern, müssen Minijobs im Regelfall parallel in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden. Ein Modell dafür sind langsam steigende Sozialabgaben (bis 2.000 Euro, danach würde der volle Betrag fällig). Eine Studie von Krebs und Scheffel (2021) weist auf Vorteile hin, die mit der weitgehenden Abschaffung der Minijob-Regelung zugunsten der Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht (ab dem ersten Euro Erwerbseinkommen) mit linear ansteigenden Sozialversicherungsbeiträgen einhergehen. So könne das Armutsrisiko gesenkt werden bei gleichzeitig positiven Effekten für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Wir sprechen uns allerdings gleichzeitig dafür aus, Minijobs als Zuverdienstmöglichkeit etwa für Studierende, Schüler*innen oder Rentner*innen weiter zu erhalten und daher einen Ausnahmetatbestand gesetzlich fest zu schreiben.

Für gute Arbeitsverhältnisse und faire Löhne muss darüber hinaus das Problem der immer weiter nachlassenden Tarifbindung weiterhin in den Blick genommen werden. Laut der Arbeitnehmerkammer Bremen ist die Tarifbindung seit 2017 im Land Bremen zwar wieder leicht gestiegen, mit 57 Prozent der Beschäftigten lag der Wert 2019 aber bedenklich tief. Im Bund war es mit 52 Prozent noch schlechter. Die schlechtesten Werte waren mit nur 24 Prozent im Handel zu verzeichnen, einer Branche, in der anteilig besonders viele Frauen arbeiten. Laut Berechnungen des DGB vom Oktober 2021 führt dies zu 30 Mio. Euro geringeren Sozialabgaben und einem Minus von 18 Mio. Euro bei den Steuereinnahmen. Zudem ist eine stärkere Tarifbindung auch eine notwendige Maßnahme, um dem wachsenden Fachkräftemangel zu begegnen.

Zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Geschlechtergleichstellung auf dem Arbeitsmarkt sind flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder und pflegebedürftige Angehörige sowie eine Unterstützung für Personen, die Care-Arbeit im privaten Bereich leisten. Auch darf die private Übernahme von Care-Arbeit nicht zu Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt führen. Vielmehr braucht es eine Unterstützung bei dem beruflichen Wiedereinstieg oder der beruflichen Neuorientierung.