Entwicklungstand der Europäischen Studienreform
Große Anfrage der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE
Im Rahmen der sog. Bologna-Reform hat die deutsche Hochschullandschaft – auch die Bremer Hochschulen – einen intensiven Reformprozess durchlaufen. Vergleichbare Studienstrukturen durch ein gestuftes Graduierungssystem mit Bachelor- und Masterabschlüssen, Qualitätssicherung auf der Grundlage gemeinsamer Standards und Leitlinien sowie gemeinsame Transparenz-Instrumente (Diploma Supplement, ECTS, Modularisierung, Hochschulqualifikationsrahmen) sind die Kernelemente des Bologna-Prozesses, auf die sich mittlerweile 48 Staaten als Basis eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes verständigt haben.
Dank der beeindruckenden Reformanstrengungen der Hochschulen ist der Bologna-Prozess inzwischen in Deutschland nahezu flächendeckend umgesetzt. Dabei wurden auch bereits Kritikpunkte und Schwächen in der Umsetzung aufgegriffen. Die Länder haben 2009/2010 mit einer Überarbeitung der ländergemeinsamen Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge reagiert, die vor allem auf eine Verbesserung der Studierbarkeit der Studiengänge und der Qualität der Lehre sowie der Verbesserung der Mobilität abzielte und die Änderungen der Landeshochschulgesetze und eine Vielzahl weiterführender Maßnahmen auf Länder- und Hochschulebene zur Folge hatte.
Die Hochschulrektorenkonferenz hat im November 2013 Handlungsempfehlungen zur weiteren Umsetzung der Europäischen Studienreform in Deutschland verabschiedet, die auf einer umfassenden Leistungsbilanz zur Umsetzung der Reformziele basieren und ein klares Bekenntnis zu dem mit dem Bologna-Prozess eingeschlagenen Weg enthalten. Im Jahr 2016 hat die Kultusministerkonferenz gemeinsam (KMK) mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die Erklärung zur „Europäischen Studienreform“ beschlossen, die angesichts des erreichten Sachstandes weitere Maßnahmen zur Konsolidierung und Optimierung des Umsetzungsprozesses beschreibt.
Wir fragen den Senat:
1. Mit Blick auf den bald 20 Jahre andauernden Bologna-Prozess: Wie bewertet der Senat den aktuellen Stand der Europäischen Studienreform an den Bremischen Hochschulen?
2. Wie ausgeprägt ist die Erasmus-Studierenden-Mobilität an den Bremischen Hochschulen? Wie viele ‚incomings‘ studierten in den letzten beiden Studienjahren an Bremischen Hochschulen? Wie viele ‚outgoings‘ absolvierten in den letzten beiden Studienjahren im Rahmen von Erasmsus+ ein Auslandssemester (bitte jeweils nach Geschlecht, Studiengang und Studiensemester aufschlüsseln)?
3. Wie ausgeprägt ist die Erasmus-‚staff mobility‘ an den Bremischen Hochschulen? Wie viele Gastdozenten empfingen die Bremischen Hochschulen? Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen die ‚staff mobility‘ für einen Aufenthalt an einer europäischen Partneruniversität (bitte jeweils nach Geschlecht, Studiengang und Statusgruppe aufschlüsseln)?
4. Inwieweit werden von den Bremischen Hochschulen Vorab-Anerkennungen, wie sie im Rahmen von ERASMUS+ vorgesehen sind und eine reibungslose und umfassende Anerkennung von Studienleistungen gewährleisten sollen, angewandt?
4.1. Inwieweit berücksichtigen die Bremischen Hochschulen die konsequente Anwendung der Grundsätze der Lissabon-Konvention, um zu gewährleisten, dass nicht nur ein quantitativer Vergleich der ECTS-Punkte, sondern eine Anerkennung der tatsächlich erworbenen Kompetenzen erfolgen kann?
4.2. Inwieweit finden entsprechende Anforderungen an die Modulbeschreibungen und die konkrete Anerkennungspraxis der Hochschulen Beachtung im Rahmen der internen und externen Qualitätssicherung?
4.3. Finden die im ECTS-‚Users’ Guide‘ (2015) formulierten und zugänglichen Modulbeschreibungen, die eine höhere Transparenz und eine Erleichterung der Anerkennungspraxis gewährleisten sollen, an den Bremischen Hochschulen Anwendung?
4.4. Das Projekt „Nexus: Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern“ und das FAIR-Projekt im Rahmen von ERASMUS+ unterstützen Hochschulen durch die Entwicklung von z. B. organisatorisch-technischen und administrativen Maßnahmen zur Verbesserung der Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen und zur Erhöhung von Transparenz und Rechtssicherheit für die Studierenden. Welche Hochschulen nehmen an diesen Projekten teil?
5. HRK und KMK sprechen sich dafür aus, das bestehende Kapazitätsrecht weiterzuentwickeln, um den Hochschulen mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Studienverläufen zu ermöglichen und den Mehraufwand für qualifizierte Lehre angesichts einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft zu berücksichtigen. Wie bewertet der Senat diese Vorschläge zur Modernisierung des Kapazitätsrechts, insbesondere auch im Hinblick auf das Interesse der Studierenden an einem ausreichend großen Studienangebot?
6. Welche Möglichkeiten des individuellen Studienverlaufs gewährleisten die Bremischen Hochschulen?
6.1. Können Studierende ECTS-Obergrenzen (z.B. Kombination 6+3 oder 8+4) ihren Studienplanungen anpassen?
6.2. Wie bewertet der Senat die mangelnde Kompatibilität individueller Studienverläufe mit der geltenden Studienförderung (BAFöG)?
6.3. Wie bewertet der Senat den Vorschlag, das ‚Diploma Supplement‘ im Sinne eines Portfolios zur Dokumentation des individuellen Studienverlaufs und Kompetenzerwerbs zu nutzen?
7. Wie bewertet der Senat die an den Bremischen Hochschulen zu beobachtende Tendenz, bereits auf der Bachelorebene hochspezialisierte Studiengänge anzubieten?
7.1. Sieht der Senat in diesen Entwicklungen einen Widerspruch zu der mit dem gestuften Graduierungssystem intendierten Flexibilität, die wesentlich auch auf der Polyvalenz des Bachelors beruht?
7.2. Wie bewertet der Senat die angebotenen Bachelor-Angebote der Bremischen Hochschulen im Sinne der eigenständigen Berufs- und Beschäftigungsbefähigung in einem weiten beruflichen Umfeld?
7.3. Wie bewertet der Senat die Optionen von Bachelor-AbsolventInnen an Bremischen Hochschulen zum Einstieg sowohl in vertiefende Masterstudien in derselben Fachrichtung als auch in affine, aber themendifferente Master-Studiengänge? Halten die Bremischen Hochschulen für die hohe Diversität an Bachelor-Programmen ausreichend konsekutive Masterangebote vor?
7.4. Der Bachelorabschluss ist ein vollwertiger erster berufsbefähigender Hochschulabschluss. Inwieweit bietet der bremische öffentlichen Dienst Ein- und Aufstiegschancen für Bachelor-AbsolventInnen?
8. Die Kultusministerkonferenz hat im Mai 2013 auf der Basis eines gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz entwickelten Modells die Grundsatzentscheidung getroffen, zusätzlich zur absoluten Note nach der deutschen Notenskala jeweils den Prozentrang dieser absoluten Note im Spektrum aller vergebenen Noten einer bestimmten Absolventenkohorte auszuweisen. Findet die Ausweisung von relativen Noten Anwendung an den Bremischen Hochschulen und wie bewertet der Senat diese Grundsatzentscheidung?
Arno Gottschalk, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD
Dr. Henrike Müller, Dr. Maike Schaefer und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN