Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft

Zeitgenössische Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten sind in hohem Maße ressourcenintensiv und belasten dadurch die Umwelt. Der Verbrauch an natürlichen Ressourcen wie Metallen, Sand und Kies, fossilen Rohstoffen, Biomasse, Wasser und Land hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Für die Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen bedarf es einer deutlichen und zügigen Reduzierung dieser Stoffströme. Viele Unternehmer*innen und Konsument*innen haben bereits erkannt: Es braucht einen Umbau von der bisherigen linearen Wirtschaftsform zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. Das übergeordnete Ziel muss sein, die Extraktion von Materialien aus der natürlichen Umwelt zu verringern, verwendete Materialien möglichst hochwertig und mehrfach in den Stoffkreislauf der Gesellschaft zurückzugeben und so am Ende auch die Menge von zu deponierenden Abfällen erheblich zu senken.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist ein Gesetz in der Systematik der Abfallwirtschaft. Kreislaufwirtschaft sollte aber nicht als Synonym für Abfallwirtschaft missverstanden werden. Sie betrifft alle Wirtschaftsbranchen und alle Stufen der Wertschöpfung: Produktentwicklung und Design, Produktion, Distribution, Reparatur, Wiederverwendung und erst zuletzt das Recycling. In einer Kreislaufwirtschaft wird der Ressourcen- und Energiebedarf reduziert, indem Produkte möglichst lange genutzt und zusätzliche Lebenszyklen ermöglicht werden („Cradle-to-cradle“-Ansatz). Ist dies nicht mehr möglich, werden sie nicht gleich auf der Material- oder Stoffebene recycelt, sondern repariert, saniert und renoviert. Kreislaufwirtschaft bedeutet immer auch die Reduzierung von Stoffströmen. Da die stoffliche Verwertung von einmal verwendeten Materialien an physikalische und chemische Grenzen stößt, bleibt stets ein Anteil, der der energetischen Verwertung (Verbrennung) oder der Deponierung zugeführt werden muss, wobei auch diese Prozesse möglichst umweltschonend organisiert werden müssen.

Die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft setzt die möglichst sortenreine Trennung, Sammlung und Zertifizierung der verschiedenen Stoffgruppen voraus. Erst das schafft handelsfähige Produkte. Bei der enormen Vielfalt der Beteiligten kann dies nur über starke regulatorische Rahmenbedingungen, insbesondere auf europäischer Ebene, und durch sehr agile Unternehmen gelingen.

Entscheidend ist auf dem Weg zu einer stärker zirkulären Wirtschaft, dass private und öffentliche Akteur*innen – von den individuellen Verbraucher*innen über Unternehmen bis hin zu staatlichen Institutionen – ihren eigenen stofflichen Impact analysieren und auf dieser Basis gezielt am nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft mitwirken.

Bremen hat im Laufe der aktuellen Legislaturperiode bereits Anstrengungen in diese Richtung unternommen. So hat die Bürgerschaft die Erarbeitung einer Zero-Waste-Strategie beschlossen (Drs. 20/120), sich für eine Stärkung von Reparaturdienstleistungen ausgesprochen (Drs. 20/353 sowie Drs. 20/1349) und ein Mehrweggebot für Veranstaltungen auf den Weg gebracht (Drs. 20/690 S). Bei der Zielsetzung des Gewerbeentwicklungsprogramms „GEP 2030“ hat der Senat sich im Grundsatz für den Übergang zu einer Flächenkreislaufwirtschaft entschieden. In der Innovationsstrategie 2030 hat das Thema Kreislaufwirtschaft im Schlüsselinnovationsfeld „Nachhaltiges Wirtschaften und Ressourceneffizienz“ einen systematischen Platz erhalten. Im Bereich der öffentlichen Beschaffung findet der Aspekt der Recycelbarkeit verwendeter Materialien konsequent Berücksichtigung (Drs. 20/1008). Ebenfalls nutzt der Senat arbeitsmarktpolitische Instrumente, um die sozialökologischen Potenziale der regionalen Kreislaufwirtschaft zu entfalten (z.B. im Möbellager Nord in Vegesack oder bei der Gröpelinger Recycling Initiative). Von herausragender Bedeutung war zuletzt der Abschlussbericht der Klima-Enquete, der unter der Überschrift „Konsum und Ernährung“ einen Katalog an Maßnahmen zur Stärkung zirkulären Wirtschaftens in Bremen vorgelegt hat.

Auch in der privaten Wirtschaft werden Projekte in Richtung einer stärker zirkulären Wirtschaftsform vorangetrieben. Dieses Interesse zeigt sich in den verschiedenen Innovationsclustern, die das zukunftsweisende Profil des Bremer Standorts ausmachen: So hat der Bund Ende des vergangenen Jahres ein am ECOMAT angesiedeltes Förderprojekt bewilligt, das sich unter Bremer Führung mit “Technologien und Reparaturverfahren für nachhaltige Luftfahrt in Kreislaufwirtschaft“ (TIRIKA) beschäftigt. An der Hochschule Bremen werden im Projekt „SeeOff“ unter Beteiligung verschiedener privater Stakeholder die Grundlagen für den effizienten Rückbau und das Recycling von Offshore-Windenergieanlagen erforscht. Der Bremer Innovationscluster Nahrungsmittelwirtschaft und das dazugehörige FoodHub bietet jungen Unternehmer*innen die Chance, ressourcenschonende Lebensmittelprodukte zur Marktreife zu bringen. Auch die in Bremen stark vertretenen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in den Bereichen additive Fertigung und Robotik leisten mit ihren F&E-Projekten einen substanziellen Beitrag, um die Trennbarkeit und Recycelbarkeit moderner Werkstoffe zu verbessern. Jenseits dieser forschungsintensiven Tätigkeiten kommen eine wachsende Zahl von erfolgreichen Upcycling- und Second-Hand-Unternehmer*innen hinzu, die gebrauchten Materialien zu einem neuen Lebenszyklus verhelfen.

Diese Schlaglichter machen deutlich: Es bestehen auf lokaler und regionaler Ebene verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um den oben genannten Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu befördern. Zugleich berühren sich diese privaten und öffentlichen Initiativen mit größeren politischen Debatten unserer Zeit: Infolge der Corona-Pandemie bedeuten fortdauernde Lieferkettenprobleme Engpässe bei Rohstoffen und Baumaterialien, was insbesondere Handwerk, verarbeitendes Gewerbe und Industrie ökonomisch belastet. Daraus leiteten sich auch verstärkte Diskussionen um eine partielle Re-Regionalisierung von wirtschaftlichen Tätigkeiten ab. Hinzukommt der für alle Branchen relevante Fachkräftebedarf im Bereich umwelt- und klimarelevanter Berufe, der aufgrund der umfassenden Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität stetig zunimmt. Insbesondere für die Bauwirtschaft gewinnen Stoffkreisläufe an Bedeutung: Mineralische Bauabfälle sind die mengenmäßig wichtigste Abfallgruppe in Deutschland (laut Umweltbundesamt rund 218 Mio. Tonnen im Jahr 2018), d.h. unser Bestand an Gebäuden und Infrastrukturen muss als bedeutendes Rohstofflager begriffen werden, das im Sinne eines „Urban Mining“ systematisch erschlossen wird. Die Bauteilbörse Bremen leistet in diesem Zusammenhang für den Bereich der Wiederverwendung gebrauchter Bauteile seit vielen Jahren Pionierarbeit.

Das Thema „Kreislaufwirtschaft“ umfasst daher sowohl unterschiedliche Branchen als auch mehrere Verantwortungsbereiche der Politik – neben Umwelt und Wirtschaft auch die Felder Wissenschaft, Ausbildung und Arbeitsmarkt. Eine breit angelegte Bestandsaufnahme zu den existierenden Kreislauffähigkeiten und -strukturen unseres Bundeslandes ist Voraussetzung, um weitere geeignete Schritte abzuleiten, um die spezifischen Potenziale Bremens und Bremerhavens im Bereich des zirkulären Wirtschaftens effektiv zu heben.