Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Nationale Hafenstrategie vorantreiben

Die deutschen Seehäfen sind für die Anbindung der außenhandelsorientierten deutschen Volkswirtschaft an die internationalen Märkte von großer Bedeutung. Ihr Nutzen verteilt sich auf alle Bundesländer. Gerade in der Covid-19-Pandemie, aber auch in der aktuellen Energiekrise hat sich gezeigt, welche Bedeutung die Häfen für die Industrie, die Lieferketten und die Versorgung der Bevölkerung haben: Sie sind systemrelevant. Dabei stehen die deutschen Seehäfen – auch ohne diese Krisen – vor enormen Herausforderungen, um ihre Leistungsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sicherzustellen. Dabei geht es mit Blick auf die bremischen Häfen vor allem um

  • die Sicherung der Universalhafenfunktion, insbesondere durch die erstmalig 2011 planfestgestellte und letztmögliche Fahrrinnenanpassung der Außenweser, so dass die zukünftige Leistungsfähigkeit der Containerkaje und die jetzt in der Planung befindlichen Wassertiefen in der Fahrrinne übereinstimmen,
  • die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Hafeninfra- und Suprastruktur, insbesondere durch die Erneuerung der Kaje und die Vertiefung der Liegebecken im Bereich der Containerterminals I bis IIIa, den Neubau des Mittelbaus des Columbusbahnhofs, einen Ersatzneubau für die Drehbrücke über den Verbindungshafen, den Neubau der Nordmole, den Bau von Landstromanlagen für Seeschiffe sowie die Errichtung einer schwerlastfähigen Umschlagsanlage im Bereich des südlichen Fischereihafens II / ehemaligen Flugplatzes Luneort,
  • die Optimierung der inneren Verkehrserschließung des Überseehafens, insbesondere durch den weiteren Ausbau der bremischen Hafeneisenbahn, die Schaffung kreuzungsfreier Bahnübergänge sowie eines leistungsfähigen, allgemeinen Pre-Gates in Autobahnnähe,
  • den Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen, wobei eine weitere Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene erreicht und die Kapazitäten der Bahninfrastruktur signifikant erhöht werden sollen (insbesondere durch das Projekt „Optimiertes Alpha-E mit Bremen“),
  • die Weiterentwicklung zu einem „Smart Port“, insbesondere durch eine weitere Geräte- und Prozessautomatisierung beim Hafenumschlag, die Schaffung eines zentralen „Data Hub“ zur digitalen Vernetzung zwischen allen am Hafen und im Hinterland Beteiligten, der Unterstützung und Einbeziehung der lokalen Unternehmen in die Digitalisierung der Häfen durch eine SMART-Port-Strategie,
  • die Beschäftigungssicherung, die Qualifizierung der Beschäftigten auf neue Tätigkeiten und die Produktivitätssteigerung der Bremischen Häfen,
  • die Positionierung als Drehscheibe für die Energiewende, beispielsweise durch den Ausbau zu einem Hub für Umschlag, Lagerung und Verteilung von Wasserstoff und dessen Derivaten sowie von verflüssigtem CO2 im Rahmen der CCU/CCS-Technologie,
  • die Erreichung der Klimaneutralität des Hafenstandorts nach Maßgabe des Hafenentwicklungskonzeptes bis zum Jahr 2035
  • und schließlich um den laufenden Unterhalt und die Sanierung abgängiger Hafenbauwerke und -anlagen.

Für die Angelegenheiten der Häfen und damit auch deren Finanzierung sind nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Länder zuständig. Im Vergleich zu den Niederlanden und Belgien mit den wichtigsten Wettbewerbshäfen Rotterdam und Antwerpen-Brügge, die Hafenpolitik als Nationale Aufgabe begreifen, entstehen so Wettbewerbsnachteile. Zwar fördert der Bund einzelne Hafenprojekte (z.B. im Bereich der Digitalisierung oder beim Bau von Landstromanlagen) und leistet seit 2005 an die Küstenländer einen festen Beitrag für die Unterhaltung und Erneuerung von Seehäfen von insgesamt rund 38,3 Mio. Euro jährlich, davon rund 10,7 Mio. Euro an die Freie Hansestadt Bremen (FHB). Dies entsprach seinerzeit einem Anteil von 10 Prozent der von den Küstenländern ermittelten Nettohafenlasten (Differenz zwischen den hafenabhängigen Ausgaben und Einnahmen). Grundlage dafür bildet das „Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104a Abs. 4 des Grundgesetzes an die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein für Seehäfen“, das als Teil des Solidarpaktfortführungsgesetzes am 20.12.2001 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Die Berücksichtigung der Seehafenlasten im föderalen Finanzausgleich der Bundesrepublik Deutschland reicht dabei zurück bis ins Jahr 1950 und knüpft an eine entsprechende Regelung des Finanzausgleichsgesetzes aus dem Jahr 1923. Eine aktive, nationale Politik zur Unterstützung und strategischen Koordinierung der Hafenpolitiken und -investitionen der Bundesländer existiert in Deutschland jedoch nach wie vor nicht.

Im Jahr 1999 einigten sich die Wirtschafts- und Verkehrsminister des Bundes und der Länder auf die Schaffung einer Gemeinsamen Plattform zur deutschen Seehafenpolitik. Aus dieser Initiative ging schließlich das erste Nationale Hafenkonzept der Bundesregierung für die See- und Binnenhäfen aus dem Jahr 2009 hervor, das 2016 fortgeschrieben wurde. Eine abschließende Beurteilung steht noch aus, aus Sicht der Antragsteller sind die Ergebnisse aber noch nicht zufriedenstellend. Insbesondere stockt die Realisierung prioritärer Vorhaben wie der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen. Es gibt noch Synergiepotenziale zwischen den Hafenmanagementgesellschaften, etwa im Bereich der Digitalisierung, gemeinsamer Ausschreibungen, gemeinsamer Projekte im Bereich Klimaschutz oder beim Sedimentmanagement. Bei der Kooperation der beiden größten, mindestens zur Hälfte im öffentlichen Besitz befindlichen Terminalbetreiber an den Hafenstandorten Bremen/Bremerhaven und Hamburg, die angesichts der Marktkonzentration der Linienreedereien notwendig wäre, gibt es bislang keinerlei Fortschritte. Planungs- und Bauprozesse dauern noch immer viel zu lange; bei der Digitalisierung und Automatisierung haben die deutschen Seehäfen und insbesondere die bremischen Häfen einen großen Nachholbedarf.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat am 22. Juni 2022 den offiziellen Startschuss für die Entwicklung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Nationalen Hafenstrategie gegeben, die nun gemeinsam mit den Ländern, Verbänden und Gewerkschaften erarbeitet und im Jahr 2024 von der Bundesregierung beschlossen werden soll. In diesem Prozess haben die Küstenländer bereits zu Beginn deutlich gemacht, dass die Beteiligung des Bundes an den Seehafenlasten der Küstenländer einer Neubewertung unterzogen und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden muss. Die Nettohafenlasten schwanken aufgrund einer Vielzahl von Faktoren stark zwischen einzelnen Haushaltsjahren. Allerdings zeichnet sich im Hinblick auf die bremischen Häfen ein klarer Trend ab: Die Deckungsquote des Bundes an den Nettohafenlasten (hier näherungsweise gemessen anhand der Differenz zwischen den Gesamtausgaben und den Gesamteinnahmen im Produktplan 81 Häfen abzüglich der Finanzhilfen des Bundes) ist seit ihrer Einführung deutlich gesunken: Von durchschnittlich 14,7 Prozent im Fünfjahreszeitraum 2005-2009 auf durchschnittlich 10,7 Prozent im Fünfjahreszeitraum 2018-2022.

Eine funktionsfähige Hafeninfrastruktur liegt im ureigensten Interesse des Bundes und aller Bundesländer. Die notwendigen Investitionskosten zur Modernisierung und Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen können alleine von den norddeutschen Bundesländern nicht gestemmt werden. Daher fordert die Bremische Bürgerschaft den Bund auf, seinen Finanzierungsanteil an den Hafenlasten auf das Niveau des bis zum 31.12.2004 geltenden alten Länderfinanzausgleichs zu erhöhen. Dieser betrug insgesamt 153,4 Mio. Euro p.a. – davon erhielt die FHB 46,0 Mio. Euro p.a. In Anbetracht der steigenden volkswirtschaftlichen Bedeutung der Häfen, u.a. im Rahmen der Energiewende, der dadurch ausgelösten zusätzlichen Investitionsbedarfe und der hohen Inflation am aktuellen Rand, scheint eine entsprechende Erhöhung der Bundeshilfen als Verhandlungsposition der FHB im Verbund mit den norddeutschen Küstenländern angemessen.

Bund und Länder sollten im Kontext einer Neuordnung der Hafenfinanzierung auch nach Wegen suchen, um die Hafenlasten der öffentlichen Hand künftig effektiv einzudämmen. Das betrifft insbesondere den Ausbau und die Unterhaltung seewärtiger Zufahrten: Die großen Reeder erzeugen mit dem kontinuierlichen Größenwachstum ihrer Containerschiffe einen enormen Anpassungsdruck auf die Seehäfen. Die Standorte entlang der europäischen Nordseeküste sehen sich seit Jahren mit einem Kreislauf aus Schiffsgrößenwachstum, Kostensteigerungen für Ausbau und Unterhaltung immer tieferer Fahrrinnen sowie zunehmenden ökologischen Schäden konfrontiert. Die Marktmacht der Reeder-Allianzen macht es einzelnen Hafenstandorten allerdings extrem schwer, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Hierfür ist eine stärkere Zusammenarbeit der deutschen Seehäfen, etwa bei der Bemessung der Hafengebühren, erforderlich. Die Nationale Hafenstrategie muss auch die Weiterentwicklung der europäischen Rahmenbedingungen der maritimen Wirtschaft, beispielsweise durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie, in den Blick nehmen.

Weitere Herausforderungen ergeben sich daraus, dass die Häfen Teil der kritischen Infrastruktur sind. Ihre finanzielle, organisatorische und damit operative Ausrichtung ist von weitreichender volkswirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Bedeutung. Beteiligungen von internationalen Investoren können nicht allein an den betriebswirtschaftlichen Maßstäben des jeweiligen Hafenstandorts bewertet werden, sondern müssen in den Kontext bilateraler Abhängigkeiten und geopolitischer Strategien eingeordnet werden. Das gilt auch für die deutschen Hafenstandorte: Die Diskussion um die COSCO-Beteiligung an einem Terminal im Hamburger Hafen zeigt, dass Deutschland einen klaren strategischen Umgang mit dieser Problemstellung erst noch entwickeln muss. Ebenfalls bedarf es einer europäisch abgestimmten Strategie zur Gefahrenabwehr, die – sowohl im Cyberbereich als auch bei physischen Infrastrukturen – den steigenden Risiken äußerer Einflussnahme zielgerichtet begegnet. Aus diesen Aufgaben erwachsen neue Kosten, deren Finanzierung sicherzustellen ist.