Psychotherapeutische Versorgung für alle sicherstellen!
Die Zulassungskriterien der vertragsärztlichen Versorgung richten sich im Wesentlichen nach dem angenommenen Versorgungsbedarf der Bevölkerung und medizinischen Aspekten. Sonderbedarfe für bestimmte Zielgruppen (wie beispielsweise behinderte Menschen oder Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen) werden im Ausnahmefall berücksichtigt, wenn dies aus medizinischen Gründen als erforderlich erachtet wird.
Nicht ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache gehören bisher jedoch nicht zu diesen medizinischen Gründen. Nach derzeitiger Rechtslage kann eine besondere Sprachen- und Kulturkompetenz keine Bevorzugung bei der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung begründen. Dieses ist aus Sicht der medizinischen Versorgung unverständlich, da somit zunehmende Bevölkerungsteile praktisch von der (psychotherapeutisch-)medizinischen Versorgung ausgeschlossen sind. Im Bereich der sprechenden Medizin, d. h. insbesondere in der Psychotherapie, ist die Möglichkeit zu kommunizieren die zwingende und notwendige Voraussetzung. Eine gute sprachliche und interkulturelle Verständigung gilt als eine der grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung.
Ohne die Schaffung entsprechender Therapiebedingungen ist vielen Personengruppen der Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung verwehrt. Daher ist der Abbau von Sprachbarrieren zumindest im psychotherapeutischen Bereich aus medizinischen Gründen erforderlich. Die derzeit geltende Rechtslage trägt diesem Versorgungsgebot allerdings nicht Rechnung.
Im Bundesland Bremen haben rund 180.000 Menschen einen Migrationshintergrund, also knapp 28 Prozent. Durch den Zuzug von vielen Tausend Geflüchteten in den letzten beiden Jahren hat sich der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsangeboten, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet sind, noch deutlich erhöht.
Migrantinnen und Migranten leiden fast doppelt so häufig unter psychischen Erkrankungen wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Die medizinische Versorgungsproblematik in diesem Bereich ist allzu offensichtlich.
In Bremen sind trotz einer formal guten psychotherapeutischen Versorgungsquote die Wartezeiten für eine psychotherapeutische Behandlung entsprechend der deutschlandweiten Situation grundsätzlich zu lang. Viele Patientinnen und Patienten, die keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, stehen vor dem fast unüberwindlichen Problem, in Bremen und Bremerhaven Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu finden, die eine Behandlung in der jeweiligen Erstsprache anbieten können. In der ambulanten Versorgung werden die Sprachmittlungskosten seitens der Krankenkassen bisher nicht regelhaft übernommen.
Ein ähnliches Finanzierungsproblem existiert zudem für die aus kommunalen Mitteln oder Landesmitteln finanzierten Beratungsstellen (z.B. Notruf, Refugio), in denen für die psychologische Beratung von traumatisierten geflüchteten Menschen der Einsatz von Dolmetschern erforderlich ist. Die Finanzierung der Dolmetscherkosten ist zurzeit ungeklärt und wird zumeist von den Beratungsstellen selbst übernommen.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass erstens die sozialrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass eine psychotherapeutische Versorgung, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet ist, – auch im Rahmen der Sonderbedarfsförderung – verstärkt angeboten werden kann. Das Kriterium der Sprachen- und Kulturkompetenz muss insbesondere für den psychotherapeutischen Bereich berücksichtigt werden, um einer Unterversorgung der betroffenen Bevölkerungsgruppen entgegen zu wirken. Zweitens fordern wir, dass eine bundeseinheitliche Regelung für die Übernahme der notwendigen Dolmetscherkosten für die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der Angebote von kommunal finanzierten oder aus Landesmitteln finanzierten Beratungsstellen erarbeitet wird. Desweiteren fordern wir auf Landesebene die Möglichkeit der Fort-, bzw. Ausbildung im Bereich Psychotherapie nach einer Anerkennung eines im Ausland erworbenen Abschlusses als Ärztin oder Arzt noch besser bekannt zu machen und ggf. bestehende Hürden in der Umsetzung zu beseitigen. Der Bürgerschaft (Landtag) soll bis Sommer 2018 darüber berichten werden.