Entgelte für Menschen mit Beeinträchtigung absichern!
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie haben für Menschen mit Behinderungen häufig sehr problematische Konsequenzen. So ist die Situation von Mitarbeiter*innen in „Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“ kritisch. Während es für die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in den WfbM eine Absicherung der Löhne durch den Senat gibt, wird das Entgelt der Werkstattbeschäftigten im Wesentlichen aus den Arbeitsgewinnen der Gewerke finanziert. Das Arbeitsergebnis in vielen WfbM ist nicht vergleichbar mit dem anderer Firmen auf dem Arbeitsmarkt. Die Beschäftigten in den Werkstätten erhalten als Entlohnung im bundesweiten Durchschnitt ca. 214 Euro monatlich. Das ist eine geringe Summe, die lediglich als kleine Anerkennung dienen kann.
Durch die Reaktion auf die Corona-Krise wurden Menschen mit Behinderungen besonders stark getroffen. Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wurden für einen längeren Zeitraum geschlossen. Der Betrieb wurde und wird nun stufenweise hochgefahren. Die in diesen speziellen Werkstätten Beschäftigten konnten ihrer Arbeit in dieser Zeit nicht und später nur eingeschränkt nachgehen. Die Tagesstruktur der betroffenen Menschen geriet dabei stark durcheinander. Die in den Werkstätten beschäftigten Menschen mit Behinderungen mussten zu Hause in ihrer Wohnung oder in ihrer Wohneinrichtung bleiben. Anders als regulär beschäftigte Arbeitnehmer*innen in den Betrieben erhalten Werkstattbeschäftigte kein Kurzarbeitergeld. Die finanziellen Regelungen für die betroffenen Menschen mit Behinderungen sind sehr heterogen und unterscheiden sich von Werkstätte zu Werkstätte. So gab es in Bremen keine Einbußen für die Beschäftigten, in Bremerhaven aber schon. In der Folge haben somit einige Betroffene auch finanzielle Verluste davongetragen. Viele Beschäftigte mit Behinderungen gehen auch weiterhin nicht in den Werkstätten ihrer Beschäftigung nach, weil sie ihr individuelles Risiko an Covid-19 schwer zu erkranken hoch einschätzen oder aufgrund von Hygiene-Regeln noch nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnten.
Menschen mit Behinderungen, die nicht mehr ihrer Arbeitstätigkeit nachgehen können, droht neben dem Verlust der gewohnten Tagesstruktur auch verstärkt soziale Vereinsamung. Die verlorene Tagesstruktur muss künftig durch aufsuchende Aktivitätsangebote kompensiert werden, um die verursachten negativen Folgen möglichst gering zu halten.
Ohne Einnahmen für die Werkstätten im Lockdown brach vielerorts zudem die – ohnehin nur geringe – Bezahlung für die Menschen mit Behinderungen weg. Können die Werkstätten aus ihren geringen erwirtschafteten Überschüssen keine freiwilligen Zahlungen vornehmen, so gehen die Mitarbeiter*innen mit Behinderungen leer aus – oder können eine geringere Summe ausbezahlt bekommen. Dies ist sozial- und behindertenpolitisch ein unhaltbarer Zustand und für viele dieser Beschäftigten hochproblematisch.
Bund und Länder haben nun Änderungen in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung beschlossen. Diese sollen die Entgelteinbußen von Werkstattbeschäftigten zumindest teilweise auffangen. Hierfür wurde ein Betrag von rund 70 Millionen Euro eingesetzt. Zwar relativiert sich dieser Betrag bei rund 312.000 Beschäftigten sehr schnell, hilft den Werkstätten in 2020 aber für einige Zeit. Die meisten Werkstätten können ihre Mitarbeiter so, zusammen mit gebildeten Rücklagen, zumindest bis zum Jahresende 2020 auszahlen. Gegenwärtig deutet sich allerdings an, dass die Krise durch die Coronavirus-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen sowie die entsprechend wegbrechenden Auftragslage anhält.
Die Rückgänge von Arbeitsaufträgen aus der schwächelnden Wirtschaft werden aller Voraussicht nach auch 2021 große finanzielle Lücken bei den WfbM reißen. Entsprechend werden auch keine Überschüsse zu erwirtschaften sein und es ist anzunehmen, dass einige WfbM in 2021 in eine finanzielle Schieflage geraten können.
Als Reaktion darauf findet seitens des Senats neben dem Abwägen gezielter Maßnahmen für Bremen derzeit auch bereits auf überregionaler Ebene ein Austausch über die wirtschaftliche Lage der Werkstätten und die Auswirkungen auf die Arbeitsentgelte sowie finanzielle Fördermöglichkeiten statt. Anfang Oktober tagt der Fachausschuss II der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS). Hier wird
gemeinsam die Sachlage beraten und Empfehlungen ausgesprochen.
Sozialpolitisch wäre es nicht zu rechtfertigen, das ohnehin geringe Arbeitsentgelt der Mitarbeiter*innen zukünftig coronabedingt zu reduzieren und keinen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht die Verlierer*innen der gegenwärtigen Krise werden. Der Bremer Senat muss sich klar zur Unterstützung der betroffenen Menschen mit Behinderungen bekennen.